das langsame ausblenden eines grossen kleinen mannes – ein abschied

wenn es schneit, dann deckt der schnee alles hässliche zu und verwandelt die landschaft in einen wunderschönen ort der stille.
wenn jemand stirbt, den ich geliebt habe, dann deckt der verlust alles andere zu und entreisst mir das ganze leben so dass nur noch ein gedanke im vordergrund ist.
1918 geboren könnte er viel gesehen haben von den turbulenten zeiten. könnte weil er nicht konnte – er musste arbeiten von frühester kindheit an bis fast ganz zum schluss. seine weisheit war nicht die gebildete eines studierten sondern das produkt eines harten lebens. erfahrungsschatz mehr als weisheit.
seine kindheit war unschön – geboren in eine arme winzerfamile im kanton waadt musste er früh lernen was harte arbeit heisst und wie schön doch die schule war – aus geldmangel wurde er an einen bauern in der deutschschweiz verdingt. ein maul weniger zu füttern. dort schlief er mit den tieren welche er betreuuen musste zusammen und wurde behandelt wie eines. als er ausriss und den ganzen weg nach hause zu fuss erledigte (!!!) weil er seine famile vermisste und den fremdsprachigen, harten meister nicht mehr aushielt wurde er nicht etwa mit offenen armen empfangen. im gegenteil – bald war er mit gebläutem hintern wieder im zug auf dem weg zurück zu seinen tieren.
sein ganzes leben war arbeit, weil es lange an allen ecken und enden ein bisschen fehlte und die 6 kinder trotzdem anständig erzogen und gekleidet sein mussten. nach den üblichen stunden bei der arbeit hiess es heimarbeit für alle. ich habe ihn noch erlebt, im keller an ende eines langen tages an seiner schlauchwebmaschine….
ich habe ihn als klein, manchmal aufbrausend, aber immer liebevoll mit seinen enkeln erlebt. ein mann der mit mir bis fast zum ende nur französisch sprechen wollte obwohl ich mit ihm deutsch sprach. ein mann der mich mit seiner computerliebe infizierte und somit den grundstein zu meiner karriere gelegt hat. ein mann der mit wenig worten ungeheuer viel erzählen konnte – am schluss aber wollte er nicht mehr erzählen. ich habe ihn um die geschichte seines lebens gebeten und er hat mir nur gesagt, dass sein kleines leben doch eh niemanden interessieren würde. sein kleines leben hat aber seine familie sehr interessiert. für sechs kinder war er der oft strenge vater. für viele enkel der lustige papa der seine zähne am abend in ein glas tat was wir alle nicht konnten (und auch heute noch nicht können…).
man wird keinen nachruf in den zeitungen finden (ausser gilbert, der mann einer seiner töchter schreibt einen in “seine” freiburger nachrichten) dazu war er zu unspektakulär. ein kleiner mann eben der sein ganzes leben hart gearbeitet hat und keine zeit hatte grosse dinge zu tun.
für mich war er in vielen belangen ein grosses vorbild – mit seiner häufigen nörgelei gegen den staat und alle anderen institutionen hat er mir gezeigt, dass man auch autoritäten hinterfragen muss. sein freiwilliger verzicht auf den führerschein (in einer region in der “öffentlicher verkehr” etwas ganz anderes bedeutet als in zürich) weil er nicht mehr in der lage sei sicher zu fahren fordert noch heute meinen respekt.
am schluss wollte er nicht mehr weiterleben. seine krankheit (laut seinen worten die strafe für ein leben mit starkem rauchen und zu viel alkohol) hat ihn zu dem gemacht, was er immer am meisten gehasst hatte – ein abhängiger von anderen. er konnte nicht mehr auf sich selber achtgeben.
dieser situation zog er den tod vor – er ist eines morgens kurz nach dem bescheid, dass er in ein pflegeheim gehen sollte einfach nicht mehr aufgewacht.
weil wir weit weg (200km….) von ihm lebten, habe ich ihn selten gesehen, kannte ich ihn nur sehr wenig. das bisschen aber was ich kennenlernen durfte hat mitgeholfen mich zu den zu machen was ich bin.
merci papa ich werd dich nie vergessen
dein christoph
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